Krisenmanagement

Auf wohlhabende Kunstfreunde müssen solche Anschuldigungen wie ein Fanal zum Handeln gewirkt haben. „Ich hatte mir einen Kredit bei der Boden-Credit-Anstalt unter Haftung der Firma von S. 260.000 gesichert“, erinnerte sich Kuno Grohmann, „und ausgerechnet, dass ich damit die wichtigsten Verpflichtungen der Wiener Werkstätte abstatten könne. [...] Von Seite der Wiener Werkstätte war mir dagegen die Verpfändung sämtlicher Aussenstände, die S 450.000.- betrugen, zugesichert.“7 Am 1. Oktober 1927 trat Kuno Grohmann zu 51 Prozent der Geschäftsanteile in die Wiener Werkstätte ein. Mäda Primavesi wurde „zur künstlerischen Beraterin des Unternehmens mit einem bedeutenden Gehalt“. Zudem ernannte Kuno Grohmann ihren Schwiegersohn Rigobert Baumann „zum Sekretär der Geschäftsleitung, in welcher Stellung er in alle Vorgänge schriftlicher und persönlicher Natur Einblick erhielt und gleichzeitig wurde ihm die Führung der Kassa anvertraut und er nahm ausserdem an allen Geschäftssitzungen teil [...].“8

Eleonore Grohmann
Abb. 2. Eleonore Grohmann in einem Kleid der Wiener Werkstätte. Wien um 1930.

Das Unternehmen scheint sich anfangs recht günstig entwickelt zu haben, doch nahmen im Verlauf des Jahres 1928 die Spannungen zu, da „mit Frau Primavesi, die mich bis dahin noch sehr bewunderte und immer meinen Ratschlägen folgte, ein sehr schweres Arbeiten sei, da sie“, wie Kuno Grohmann zu wissen glaubte, „vollständig geschäftsunkundig, in den persönlichen Differenzen mit den einzelnen Leitern ihre Energien auszutoben suchte, ohne Rücksicht auf sachliche und geschäftliche Momente.“9

Am 31. Mai 1928 feierte die Wiener Werkstätte ihr 25-jähriges Bestehen mit einem Künstlerfest und gab einen Verkaufskatalog in Deutsch, Englisch und Französisch mit 150 Seiten und Preisliste heraus.10 Kuno Grohmann, der Geschäftsmann, hatte erkannt, dass die Zukunft der Wiener Werkstätte – sofern sie überhaupt eine hätte – im Exportgeschäft lag. War die Wiener Werkstätte im Jahre 1928 zu etwa 80 Prozent auf den Export ihrer Waren ausgerichtet, so galt es nun, die internationalen Märkte weiter zu nutzen. Seit seinem Eintritt „wurden in diesem Unternehmen über 3 Millionen Schilling umgesetzt, von denen mehr als 2 ½ Millionen durch direkten und indirekten Export ins Ausland gegangen sind.“11 Kuno Grohmann richtete nun sein Augenmerk auf den amerikanischen Kontinent, reiste im September in die USA, kehrte aber enttäuscht bald zurück. Dann kam die Weltwirtschaftskrise und sorgte mit dem so genannten Schwarzen Freitag – es war der 25. Oktober 1929 – für ein Übriges. Die letzte Hoffnung auf eine gedeihliche Entwicklung der Geschäfte fand ihr Ende.