Ein Ruin für die Kunst

Kuno Grohmann (1897 – 1940) und die Wiener Werkstätte

Dieser Artikel skizziert erstmals Leben und Wirken des Unternehmers und Kunstmäzens Kuno Grohmann.

Vom Soldaten zum Unternehmer

Mit Beginn des 19. Jahrhunderts beginnt für die Wiener Werkstätte die Geschichte der Familie Grohmann. Im Jahre 1800 hatte Josef Grohmann in Würbenthal/Vrbno (heute Tschechien), das damals im österreichischen Teil Schlesiens lag, eine Firma gegründet, in der bis auf den heutigen Tag Bänder und Senkel hergestellt werden. Dort wurde am 6. Juli 1897 Kuno Grohmann geboren. Im Alter von nicht einmal 18 Jahren meldete sich der Gymnasiast 1915 in Olmütz/Olomouc (heute Tschechien) freiwillig zu den Waffen. Eine nicht datierte Fotografie, die in Lemberg/Łwów (heute Ukraine) aufgenommen wurde, zeigt ihn als feschen Leutnant der österreichischen Armee in lässiger Haltung, ausgezeichnet mit dem preußischen Eisernen Kreuz 2. Klasse und weiteren Tapferkeitsmedaillen.

Im Herbst 1918 kam es zum militärischen Zusammenbruch der Mittelmächte. Kuno Grohmann war 21 Jahre alt. Das alte Reich löste sich auf; die Habsburger Monarchie verschwand. Eine Welt ging unter. Mit ihr waren – als gäbe es da einen kulturellen Schicksalszusammenhang – am 6. Februar Gustav Klimt, am 11. April Otto Wagner, am 18. Oktober Koloman Moser und am 31. Oktober Egon Schiele gestorben. Zu allem Unglück brach die sogenannte Spanische Grippe aus. Sie kostete bis 1920 rund zwanzig Millionen Menschen das Leben. Während der vier Kriegsjahre waren an allen Fronten etwa zehn Millionen Soldaten gefallen.

Kuno Grohmann als Soldat
Abb. 1. Kuno Grohmann als Leutnant in österreichisch-ungarischer Felduniform. Lemberg/Łwów (heute Ukraine) um 1917.

1919 begann Kuno Grohmann damit, sein organisatorisches Talent in der Firma seines 1909 verstorbenen Vaters Emil zu entfalten. „In eineinhalb Jahren elektrifiziert er alle drei Betriebe, verbindet sie elektrisch miteinander, baut Wasserkräfte mit den neuesten Turbinen aus und beleuchtet die umliegenden Ortschaften.“2 Kuno Grohmann begegnet Eleonore („Lore“) von Judřcenka (1900 – 1986), einer jungen Frau von atemberaubender Schönheit, studiert und promoviert zum Doktor rer. pol. in Jena, heiratet und tritt 1922 als offener Gesellschafter in das Unternehmen ein, das seiner Mutter Marie gehört. „Zweimal wöchentlich ißt er in der Fabrikküche gemeinsam mit den Arbeitern [...]. Er arbeitet mit ihnen, er badet mit ihnen in dem von ihm eingerichteten Fabrikbad, er spielt mit ihnen Fußball und Tennis im Grokosportklub und tanzt mit ihnen am Firmaball.“3

Der Unternehmer modernen Typs – jung, dynamisch, erfolgreich – trifft im Frühling 1926 in Wien eine seiner angeheirateten Tanten wieder. Das war Eugenie („Mäda“) Primavesi, die Witwe des im Jahre vorher verstorbenen mährischen Industriellen Otto Primavesi. Dieser hatte sich 1913 in Winkelsdorf/Kouty (heute Tschechien) bei Olmütz von Josef Hoffmann ein prachtvolles Landhaus erbauen lassen, das Kuno Grohmann kannte. Auf diese Weise kam der Kontakt mit dem berühmten Architekten und Entwerfer zustande, von dessen Persönlichkeit der junge Unternehmer stark eingenommen war. Josef Hoffmann gestaltete 1920 den Umbau des Wohnhauses von Kuno Grohmann in Pochmühl. Zwei Jahre später legte der Architekt ein Projekt für Arbeiterwohnhäuser im Produktionsort Würbenthal vor. Im darauf folgenden Jahr 1923 richtete er die Büroräume der Firma Grohmann ein.