Die Wiener Werkstätte in Bedrängnis

Mäda Primavesi hatte von ihrem Mann die Anteile an der Wiener Werkstätte erhalten, in die beide 1914 als Gesellschafter eingetreten waren. Nun geriet sie in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. „Da sie eine sehr nahe Verwandte der Frau meines Bruders [Fritz] war“, erinnerte sich Kuno Grohmann, „fühlte ich, mit Rücksicht auf die beiderseitigen zum Teil verwandtschaftlichen Beziehungen durch meinen Bruder, zum Teil freundschaftlichen Beziehungen unserer ganzen Familie zu ihr, [mich] verpflichtet ihr zu helfen. Ich stellte ihr damals [1926] erst einen kleinen Betrag zur Verfügung, sprach dann mit meinem Bruder Fritz über die Angelegenheit, wobei wir uns dahin einigten, einen Betrag von meines Wissens ca 5 – 6000 Schilling zur Verfügung zu stellen, damit sie ihren wichtigsten Schmuck, der verpfändet war, auslösen könne und von den grössten Sorgen befreit sei.“4 Dabei blieb es indes nicht. Mit Hilfe von zwei Partnern brachte Kuno Grohmann 50.000 Schilling auf, um Mäda Primavesi aus ihrer misslichen finanziellen Lage zu befreien.

Anfänglich dachte Kuno Grohmann wohl nicht daran, mit der Wiener Werkstätte in geschäftliche Verbindungen zu treten, zumal sein Vorstoß, das stets marode Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, misslang.5 Das Kapital der Gesellschaft sollte 600.000 Schilling betragen. Sie zusammen zu bringen gelang nicht. Inmitten dieser Krise hielt der Architekt und Kunsttheoretiker Adolf Loos im Großen Musikvereinssaal am 20. April 1927 einen Vortrag, dem er den Titel „Das Wiener Weh“ gab und den kämpferischen Untertitel „Eine Abrechnung!“ beifügte. Seine für ihn typische Polemik untermalte Adolf Loos mit Lichtbildern von der aufwändigen Pariser „Exposition Internationale des Arts Décoratifs“ des Jahres 1925, für die Josef Hoffmann einen gewaltigen Vitrinenraum im Österreichischen Pavillon geschaffen und mit Erzeugnissen der Wiener Werkstätte eingerichtet hatte. Loos’ Vortrag gipfelte in der Warnung: „Ich warne die Oesterreicher, sich mit der Bewegung Wiener Werkstätte zu identifizieren. Der moderne Geist ist ein sozialer Geist, moderne Gegenstände sind nicht nur für eine Oberschicht da, sondern für jeden. Alle Gebrauchsgegenstände seien gleich, was die Form betrifft. Dadurch manifestieren sie sich als modern. Wenn es anders gemacht wird, so ist es falsch, unsozial und daher unmodern. Die Leute aber, die sich mit solchen Gegenständen eine Stellung als moderne Menschen in der menschlichen Gesellschaft schaffen wollen, sind Hochstapler und Schwindler.“6