Anerkannte Künstlerin

Auf der Turiner Ausstellung von 1902 war übrigens auch Peter Behrens vertreten. Ebenfalls 1902 wurde im Berliner Warenhaus Wertheim ein von Peter Behrens voll-ständig gestaltetes Speisezimmer in der Verkaufsausstellung „moderne Wohnungskunst“ präsentiert. Ob und – falls ja – wie man einander wieder begegnete, ist nicht bekannt.
Das Jahr 1904 war für Else Oppler von großer Wichtigkeit. (Abb. 6) Zum einen entfaltete sie ihre künstlerische Tätigkeit für Wertheim und gründete ein Unterrichtsatelier für private Schülerinnen. Zum anderen verheiratete sich Else Oppler am 20. August 1904 mit dem Journalisten und Theatermann Dr. Paul Heinrich Legband (1876–1942), der aus Braunschweig stammte. Die beiden hatten sich wohl in Berlin kennengelernt. Die Eheschließung fand übrigens in Nürnberg statt.14 Else Oppler führte von da an den Doppelnamen Oppler-Legband. Aus der Verbindung gingen keine Kinder hervor.

Abb. 6. Else Oppler im Profil, 1903/1904 Jüdisches Museum Berlin, Inv. Nr. 2006/217/195, Schenkung von Dr. phil. Fortunatus Schnyder-Rubensohn.
Abb. 6. Else Oppler im Profil, 1903/1904 Jüdisches Museum Berlin, Inv. Nr. 2006/217/195, Schenkung von Dr. phil. Fortunatus Schnyder-Rubensohn.

Zu jener Zeit, um die Mitte des Jahres 1904, erschienen in der in Darmstadt herausgegebenen renommierten Zeitschrift „Deutsche Kunst und Dekoration“ zwei umfängliche, reich bebilderte Artikel. Der erste trug den sperrigen Titel „Die Ausstellung künstlerischer Frauen-Kleider im Waren-Haus Wertheim-Berlin nach Entwürfen von: Else v. Hahn, Else Oppler, Frieda Petersen, Alfr.[ed] Mohrbutter, Clara Möller, Luise Matz, Rudolf und Fia Wille u.a. unter künstler.[ischer] Leitung v. Else Oppler“ und war von Anna Muthesius verfasst worden.15 Im Rahmen dieser Präsentation hatte Else Oppler „fünfzehn Kleider nach eigenen Entwürfen ausgestellt, wovon wohl die Glanzleistung das […] lila Atlaskleid ist“, meinte Anna Muthesius.16 (Abb. 7 u. 8)

Der zweite, im selben Jahr 1904 und im gleichen Band der Deutschen Kunst und Dekoration erschienene umfangreiche Beitrag mit dem Titel „Nürnberger Kunststickereien“ stammte aus der Feder des damaligen Bibliothekars des Baye-rischen Gewerbemuseums, Dr. Paul Johannes Rée (1858–1918). In diesem Artikel sind neun textile Arbeiten abgebildet, die von Else Oppler entworfen worden sind und von den – wie es nun hieß – Kunstgewerblichen Werkstätten des Vereins Frauenwohl ausgeführt wurden.17 (Abb. 9)
Ebenfalls 1904 erschien Alfred Mohrbutters Prachtausgabe „Das Kleid der Frau“, in dessen Untertitel 13 Künstlerinnen und Künstler aufgezählt werden, unter denen Else Oppler – an dritter Stelle, gleich nach Peter Behrens und Henry van de Velde – genannt ist. 18 Im Text berichtet der einflussreiche Maler, Grafiker und Modedesigner Mohrbutter (1867–1916) ausführlich über Else Oppler, erwähnt sie zudem als Erste, das heißt noch vor Henry van de Velde, und schreibt über sie: „Else Oppler hat uns in einem grünen, mit Goldstoff überspannten Crêpe de Chine-Kleide einen Weg gezeigt wie ein reizvoller Stoff anregen kann. Sie vereinigt mit ernstem Können und grosser Materialkenntnis eine glückliche Fantasie, einen echt weiblichen Geschmack. Ich wüsste keine Künstlerin, die so sinnige Kleider erfände.“ 19 Das war nun wahrlich ein Riesenlob! Doch nicht genug damit: „Während der Drucklegung dieses Werkes“, berichtet Alfred Mohrbutter ferner, „hat das Berliner Warenhaus Wertheim eine Abteilung ihrer Konfektion für künstlerische Frauentracht eingerichtet und Else Oppler, weithin bekannt als die beste und geschmackvollste Künstlerin auf diesem Gebiete, als Leiterin gewonnen.“20

Abb. 7 Else Oppler: Festkleid, 1903/1904, s. Anm. 16.
Abb. 7 Else Oppler: Festkleid, 1903/1904, s. Anm. 16.
Abb. 8 Else Oppler: Festkleid, 1903/1904, s. Anm. 16.
Abb. 8 Else Oppler: Festkleid, 1903/1904, s. Anm. 16.

Abteilung ihrer Konfektion für künstlerische Frauentracht eingerichtet und Else Oppler, weithin bekannt als die beste und geschmackvollste Künstlerin auf diesem Gebiete, als Leiterin gewonnen.“20
In Alfred Mohrbutters „Das Kleid der Frau“ bekamen Schöpfungen von Else Oppler zehn Abbildungen – nur der Autor selbst hatte mehr.21 Else Oppler war zum Star auf dem Gebiet der künstlerischen Textilgestaltung geworden und ab 1904 in ganz Deutschland bekannt. Zudem arbeitete sie als Innenarchitektin, Kunstpädagogin und wurde künstlerischer Beirat der Firma Julius Brühl in Berlin. 1909 gestaltete sie im Rahmen eines Schaufenster-Wettbewerbs Fenster für das Brühl’sche Stickereiwaren-Geschäft mit Stickereien. Peter Behrens berichtete über diese für einen Stararchitekten eher beiläufige künstlerische Aktion.22 Er war im Juli 1907 von Düsseldorf nach Berlin gekommen, um dort im Rahmen einer Art Generalvertrag die bauliche wie auch die gestalterische Tätigkeit für die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (kurz AEG) zu übernehmen. Spätestens im Herbst 1909 war man also einander wieder begegnet.

1909 gab Else Oppler-Legband ihre sechsjährige Tätigkeit für das Warenhaus Wertheim auf. Sie „übernahm Schaufensterdekorationen in einem ganz neuen Stil“, wie sie in den 1950er Jahren in ihrem selbst verfassten Lebenslauf rückblickend schrieb, „und wurde dadurch die Begründerin der modernen Schaufensterdekoration.“23 „Darauf gründete und leitete ich“, fuhr sie fort, „[…] in Berlin die einzige existierende Schule für Schaufensterdekoration, wodurch den Frauen zum erstenmale [!] eine Betätigung auf diesem Gebiete erschlossen wurde. Auf fast allen von Städten und Handelskammern veranstalteten Schaufensterwettbewerben wurde ich zur Herstellung von Musterdekorationen beauftragt. 1911 schloss ich mit meiner Tätigkeit auf kunstgewerblichem Gebiet. Die Dekorationsschule wurde […] der Reimann-Schule angegliedert.“24

Abb. 9. Else Oppler: Tischdecke und Serviette, 1903/1904, s. Anm. 17.
Abb. 9. Else Oppler: Tischdecke und Serviette, 1903/1904, s. Anm. 17.

Diese 1902 von Albert Reimann (1874–1976) gegründete Lehranstalt im Berliner Stadtteil Schöneberg war eine private Kunst-gewerbeschule, die bis 1943 bestand. 1938 emigrierte Reimann nach Großbritannien und kehrte nach Kriegsende nicht nach Deutschland zurück.
1911 folgte Else Oppler-Legband ihrem Mann Paul Heinrich Legband nach Freiburg im Breisgau, wo er Intendant des dortigen Stadttheaters wurde. „In Freiburg übertrug [ihr] der Oberbürgermeister der Stadt die Leitung des Ausstattungswesens des Theaters in eigenen Werkstätten wobei eine grosse Anzahl der Opern und Schauspiele nach [ihren] Entwürfen ausgeführt wurden.“25