Schicksalsjahre
1913 wurde Else Oppler-Legband Mitglied des Deutschen Werkbundes und leitete das „Haus der Frau“ auf der Ausstellung des Deutschen Werkbundes 1914 in Köln. Das Freiburger Theater wurde 1915 wegen des Krieges geschlossen. Else Oppler-Legband kehrte nach Berlin zurück. In der Reichshauptstadt entwarf sie Bühnendekorationen und Bühnenkostüme „an verschiedenen grossen Theatern (Lessing-Theater, Berliner Theater, Theater in der Königgrätzerstrasse, kleines Theater [und] Theater am Zoo)“.26 Zudem war sie für die aufkommende Filmindustrie tätig und gestaltete für bedeutende Firmen deren Ausstellungsbauten auf Messen.
Am 7. Oktober 1924 wurde ihre Ehe in Berlin geschieden. Die Gründe hierfür sind unbekannt. Ihren Doppelnamen behielt Else bei. Seit mindestens 1918 steckte zudem die Ehe zwischen Lilli und Peter Behrens in einer ernsthaften Krise und brach auseinander. 1927 traten schließlich beide – Peter und Else – gemeinsam in Erscheinung. Anlass hierfür war die Werkbund-Ausstellung „Die Wohnung“, an der 16 renommierte Architekten teilnahmen – unter anderen die Behrens-Schüler Walter Gropius, Le Corbusier alias Pierre Jeanneret und Ludwig Mies van der Rohe – und die vom 23. Juli bis zum 23. Oktober 1927 auf dem Weissenhof in Stuttgart zu sehen war. Peter Behrens hatte dort ein Terrassenhaus als Mehrfamilienhaus mit zwölf Wohnungen gebaut. Einen Teil der Einrichtung sollte Else Oppler-Legband übernehmen, was aber nicht zustande kam. Peter Behrens bedauerte, „daß es durch die große Entfernung von der Baustelle und durch die Schwierigkeit, zur Ausführung bereite Werkleute zu finden, nicht möglich war, zwei Wohnungen mit Möbeln auszustatten, die ich zur Einrichtung durch Frau Else Oppler-Legband und mich vorgesehen hatte“, berichtete Behrens, und er fuhr fort: „Es ist umso mehr bedauerlich, daß gerade die Wohnung von Frau Else Oppler-Legband nicht eingerichtet werden konnte, als diese ganz aus dem Geiste der modernen Hausfrau entworfen wurde.“27 Entsprechende Entwürfe haben sich nicht erhalten.
Else Oppler-Legband war Mitarbeiterin von Peter Behrens geworden – 25 Jahre nachdem sie sich in Nürnberg kennengelernt hatten! 1931 schuf Peter Behrens den Pavillon „Ring der Frauen“ auf der Deutschen Bauausstellung in Berlin, die vom 9. Mai bis zum 9. August 1931 auf dem Ausstellungsgelände am Kaiserdamm gezeigt wurde. Im Rahmen dieses Projektes bezeichnete Peter Behrens Else Oppler-Legband erstmals als seine „Arbeitsgefährtin“.28
Zur gleichen Zeit, zwischen 1929 und 1932, entstanden in Berlin am Alexanderplatz zwei Geschäfts- und Bürohäuser: das „Haus Berolina“ und das „Haus Alexander“. Nicht zuletzt zu diesem Zweck wurden die „Vereinigten Unstrut-Kalkstein-Werke“ gegründet. „Es war dies eine Vereinigung einer Reihe kleinerer Kalksteinbrüche an der Unstrut“, berichtet Else Oppler-Legband. „Hinzu kamen Brüche in der Nähe von Wien [wo Peter Behrens eine Professur an der Bauakademie inne hatte und ein Architekturbüro unterhielt] und Marmorbrüche in Spanien. Ich war mit 9/10 am Kapital beteiligt, mein Freund [Peter Behrens] mit 1/10. Bei einem Konkurrenzausschreiben [also einem Wettbewerb] siegten wir mit unserem Angebot, die Verblendung mit Kalkstein der grossen neuen Bauten am Alexanderplatz in Berlin und mit Marmor die Vestibüle auszuführen.“29 Spätestens da war aus der Arbeitsgemeinschaft eine Lebensgemeinschaft geworden!
Es war die Zeit gekommen, in der Else Oppler-Legband und Peter Behrens ihren gemeinsamen Lebensabend planten. „Große Aufgaben wird die nächste Zeit kaum bescheren“, schrieb der 63 jährige Architekt Ende 1931. „Dann denkt man vielleicht auch einmal an sich selbst […].“ Es müsste ein Haus sein, „in dem das Glück wohnt“, umgeben „von so viel Land, Feldern und Gärten, Ställen und Scheunen, daß bäuerliches Mühen, Bauernsorge und –stolz in ihm sein könnten“, so Behrens.30 „Im Dezember 1931 hatte er ein Grundstück inmitten der waldreichen Umgebung von Neustrelitz in Mecklenburg erworben. Auf dessen Hügel, mit Aussicht auf den Zierker See, plante er zusammen mit Else Oppler-Legband den Gutshof ʻHohenlankeʼ, wo er selbst wohnen und ʻnebenher Bauerʼ werden wollte. Vorgesehen war eine große Anlage mit repräsentativem Wohnbereich für den Hausherrn [und seine Lebensgefährtin], Wirtschaftsgebäuden, Stallungen, Scheunen für Vieh- und Landwirtschaft und einem Wohntrakt für den Verwalter. Es sollte eine Rückzugsmöglichkeit für ihn selbst [, für seine Lebensgefährtin] und auch für Gäste werden. Das Gelände wollte Behrens nach einer neuen biologisch-dynamischen Methode bewirtschaften lassen“ – also durchaus damit Geld verdienen. „Der Bau des Gutshofs begann nach Verzögerungen im Laufe des Jahres 1932.“31
Ein neuer Lebensabschnitt schien in greifbarer Nähe zu sein: „1932 wurde [Else Oppler-Legband] Elevin“, wie sie es nannte – begann also eine Ausbildung „auf einem Mustergut in Mettmann im Rheinland. Darauf übernahm ich die praktische Mitarbeit zur landwirtschaftlichen und gärtnerischen Bebauung und Anlage eines grösseren Stück Landes in Mecklenburg [also den Gutshof ʻHohenlankeʼ], worauf ich später meinen festen Wohnsitz nehmen [wollte].“32
Allein, daraus wurde nichts. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Frühjahr 1933 war der Traum vom gemeinsamen produktiven Lebensabend ausgeträumt. Das „Haus, in dem das Glück wohnt“, so Behrens, war ein Luftschloss geblieben. Der Bau geriet ins Stocken. Zudem wurde jegliche künstlerische Tätigkeit eingestellt. Else Oppler-Legband, die jüdischer Abstammung war, verließ Deutschland und ging zunächst nach Holland, um dort landwirtschaftlich tätig zu werden. 1935 kam sie nach Südtirol ins faschistische Italien, um auch dort professionell Landwirtschaft zu betreiben. Im April 1937 errichtete Else Oppler-Legband in Meran eine, wie sie es selbst nannte, „kleine vornehme Pension“ und stellte damit ihre bemerkenswerte Vielseitigkeit unter Beweis. Mit dem Ausgleich Hitler-Mussolini setzte auch in Italien der organisierte Antisemitismus ein. Else emigrierte 1939 nach Schweden, wo sie den Zweiten Weltkrieg unbehelligt überstand. In Schweden wurde sie „zunächst von ihrer Bekannten Gerda v. Schinkel aufgenommen.“33 Offenbar hat das Ehepaar Mimi und Ludwig Borchardt die Flucht Else Oppler-Legbands von Italien nach Schweden ermöglicht.34
Drei Jahre vorher, während Else Oppler-Legband in Holland lebte und arbeitete, hatte Peter Behrens zum 1. April 1936 den Gutshof „Hohenlanke“ verkauft. Unklar ist, wie sich die Eigentumsverhältnisse vor 1933 daran gestaltet haben. Wahrscheinlich ist, dass Else Oppler-Legband einen wesentlichen Beitrag geleistet hatte. Peter Behrens‘ Maxime „Wahrer Lohn, wenn man ihn verdient hat, liegt allein im Einswerden mit der Natur“, wie er es 1936 formuliert hat, konnte er nicht mehr verwirklichen.35 Peter Behrens starb am 27. Februar 1940 71-jährig in einem Berliner Hotelzimmer, während sich Else Oppler-Legband in Schweden mehr schlecht als recht durchschlug. In Schweden war es ihr nicht möglich geworden, „eine feste Tätigkeit, meinen Kenntnissen entsprechend, zu bekommen. Ich begann wieder zu malen, was ich in meiner Jugend begonnen hatte, und konnte hie und da Bilder verkaufen.“36 Damit endet Else Oppler-Legbands selbst verfasster Lebenslauf.
Else Oppler-Legband lebte in Stockholm und kehrte 1952 in die junge Bundesrepublik Deutschland zurück. In Überlingen am Bodensee verbrachte sie die letzten 13 Jahre ihres langen Lebens. Dort verstarb Else Oppler-Legband am 7. Dezember 1965 im Alter von 90 Jahren.37 Mehr als ein halbes Jahrhundert nach ihrem Tode ist nun erstmals ausführlich über sie berichtet worden.
Damit habe ich eine mir selbst auferlegte Pflicht erfüllt. Ich meine, dass über Else Oppler weiter geforscht werden muss. Gewiss ist das lohnend, wenngleich nicht unkompliziert. Im Schweizerischen Institut für ägyptische Bauforschung in Kairo soll es „sehr zahlreiche Briefe“ von Else Oppler an Mimi Borchardt (1877–1948) geben.38 Deren Ehemann Ludwig Borchardt (1863–1938) hatte 1906 das Kaiserlich Deutsche Institut für ägyptische Altertumskunde in Kairo gegründet. Diese Briefe zu sichten und auszuwerten wäre ein Forschungsprojekt, das von der Stadt Nürnberg vergeben werden sollte!