Die junge Künstlerin

Abb. 2. Else Oppler im Porträt und im Profil, um 1896 Jüdisches Museum Berlin, Inv. Nr. 2006/220/0, Schenkung von Dr. phil. Fortunatus Schnyder-Rubensohn.
Abb. 2. Else Oppler im Porträt und im Profil, um 1896 Jüdisches Museum Berlin, Inv. Nr. 2006/220/0, Schenkung von Dr. phil. Fortunatus Schnyder-Rubensohn.

Die letzten Jahre des 19. Jahrhunderts waren Jahre des künstlerischen Aufbruchs, dessen Ergebnis als die Epoche des Jugendstils zusammengefasst wird. Es war auch die Zeit einer Neu-gestaltung von Frauenkleidern, die von Kunstlern, Medizinern und der sich ent-wickelnden emanzipatorischen Frauenbewegung angeregt worden war. Die Kampfansage galt vor allem dem Korsett; zur Alternative wurde das Reformkleid erklärt.

Es sei gesünder, individueller und entspreche dem Wesen der Frau mehr als die industriell gefertigte textile Massenware. 7 Im April 1900 fand in Krefeld als „Sonderausstellung moderner nach Künstlerentwürfen ausgeführter Damenkleider“ die erste Ausstellung solcher Art in Deutschland statt. Unter anderen wurden Reformkleider nach Entwürfen der damals bereits renommierten Künstler Bernhard Pankok (1872–1943), Richard Riemerschmid (1868–1957) und Henry van de Velde (1863–1957) gezeigt. In die Gestaltung der neuen Kleidung sollten Frauen ausdrücklich mit einbezogen werden. Da hatte sich der jungen Else Oppler ein weites Betätigungsfeld eröffnet, auf dem noch viel geleistet werden konnte.

Dann gab es für Else Oppler eine schicksalhafte Begegnung: Vom 7. Oktober bis zum 9. November 1901 veranstaltete das Bayerische Gewerbemuseum in Nürnberg den ersten, von ihm so genannten „kunstgewerblichen Meisterkurs“. Als Kursleiter konnte Theodor von Kramer (1852–1927), der damalige Direktor des Bayerischen Gewerbemuseums, Peter Behrens (1868–1940) von der Künstlerkolonie Mathildenhöhe bei Darmstadt gewinnen. Else Oppler war eine der insgesamt 16 Teilnehmer, von denen drei Frauen waren. 8

Abb. 3. Else Oppler: Straßenkleid, 1901/1902, s. Anm. 10.
Abb. 3. Else Oppler: Straßenkleid, 1901/1902, s. Anm. 10.

Zur gleichen Zeit, im Oktober 1901, hatte der „Verein Frauenwohl“ eine kunstgewerbliche Werkstätte eingerichtet und Else Oppler deren Leitung im Jahr darauf übertragen. 9 Offiziell hieß diese Werkstätte „Kunstgewerbliche Abteilung des Vereins Frauenwohl“. Bald nach deren Gründung trat die junge Künstlerin publizistisch erstmals in Erscheinung. 10
Gleich im Anschluss an den ersten kunstgewerblichen Meisterkurs des Bayerischen Gewerbemuseums – also nach dem 9. November 1901 – war Else Oppler Schülerin von Henry van de Velde in dessen Berliner Atelier. Für wie lange ist nicht überliefert. 11 (Abb. 3)
Der zweite kunstgewerbliche Meisterkurs des Bayerischen Gewerbemuseums fand von Mitte Januar bis Mitte Februar 1902 statt. (Abb. 4)
Erneut hatte Peter Behrens die Leitung des Kurses inne. Unter den nun 27 Teilnehmern – das waren elf oder 40 % mehr als im Vorjahr – befanden sich vier Frauen: Louise von Forster und erneut Auguste Hämmel, Else Oppler und Emma Volck. Neben einer Reihe von textilen Arbeiten, von denen noch die Rede sein wird, ist aus dem zweiten kunstgewerblichen Meisterkurs eine Biskuitdose aus Silber mit zwei aufgesetzten lauchgrünen Chrysopalsteinen hervorgegangen, die Else Oppler entworfen hat und die sich heute in schwer zugänglichem Hamburger Privatbesitz befindet. Die Gestaltung dieser Schülerarbeit ist ganz der Formensprache des Lehrers geschuldet. 12 (Abb. 5)

Abb. 4. Else Oppler: Gesellschaftskleid, 1901/1902, s. Anm. 10.
Abb. 4. Else Oppler: Gesellschaftskleid, 1901/1902, s. Anm. 10.

Zwischen dem Kursleiter Peter Behrens aus Darmstadt und der Nürnbergerin Else Oppler muss es ab dem Oktober 1901 zu einer – wie auch immer gearteten – engeren menschlichen Beziehung gekommen sein. Davon zeugen zuerst zwei gemeinsame Einträge in das Gästebuch des Schlosses Pretzfeld, die ich aus eigener Anschauung kenne. Schloss Pretzfeld gehörte – mit einem Haltepunkt seit 1891 an der Bahnlinie Forchheim – Ebermannstadt gelegen – in den Jahren 1901 und 1902 der Nürnberger Bankiersfamilie Kohn, die sich 1898/1899 in Nürnberg ein aufwändiges Stadtpalais im Stil des Neurokoko erbauen ließ. Dieses imposante Bauwerk besteht noch heute und liegt als Anwesen Campestraße 10 an der Ecke zur Frommannstraße. Offensichtlich hat es zwischen den Familien Oppler und Kohn freundschaftliche Beziehungen gegeben.

Für Else Oppler kam der große Erfolg – und der kam außerhalb von Nürnberg. Da war zunächst die Beteiligung der Kunstgewerblichen Abteilung des Vereins Frauenwohl mit diversen Stickereien an der Ersten Internationalen Ausstellung für Moderne Dekorative Kunst in Turin, die dort vom 10. Mai bis zum 10. November 1902 stattfand und dem Verein eine Silbermedaille einbrachte. Das war ein wichtiger übernationaler Erfolg! Kurze Zeit nach Turin – also Ende 1902/Anfang 1903 – fand im Hohenzollern-Kaufhaus in Berlin eine Ausstellung für Frauenkleidung statt. Else Oppler war daran mit einem Kostüm beteiligt.13 Turin und Berlin hatten zur Folge, dass Else Oppler an das renom-mierte Warenhaus von Abraham Wertheim in Berlin berufen wurde. Eigens für sie war dort ein Atelier für künstlerische Frauenkleidung eingerichtet worden.

Else Oppler verließ Ende 1903 Nürnberg. Die organisatorische Leitung der Kunstgewerblichen Abteilung des Vereins Frauenwohl wurde Elses drei Jahre jüngerer Schwester Frieda übertragen. Als künstlerische Leiterin bestellte man die Kunstgewerblerin Emmy Hormann. Mit Ablauf des Jahres 1908 war dann für die Kunstgewerbliche Abteilung das Ende gekommen. Ende 1934 löste sich der Verein Frauenwohl auf.

Abb. 5. Else Oppler: Keksdose aus Silber, 1902, s. Anm. 12.
Abb. 5. Else Oppler: Keksdose aus Silber, 1902, s. Anm. 12.